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Joël Marchesan

Er gab mir Halt, als mein Weg steinig und unsicher war. Durch Höhen und Tiefen konnte ich stets auf seine Unterstützung zählen und auch wenn er nicht richtig laufen konnte, hielt er stets mit meinem Tempo Schritt.Kurz gesagt: "Er war mein längster und robustester Wegbegleiter auf dem Jakobsweg."

Gemeint ist selbstverständlich mein Pilgerstab, welchen ich in den Pyrenäen einer Haselnuss "entlieh". 

 

Unsere Geschichte begann in Oloron (das Ziel eines früherem "verlängertem" Tagesmarsches). Kurz bevor Roland und ich uns zum Fuß der Pyrenäen auf machen wollten, kam ich auf die brillante Idee einen der vergessenen, morschen "Wanderstöcke" mitzunehmen. Natürlich suchte ich mir den besten und stabilsten dieser halbgeraden Astleichen heraus.

Gut ausgestattet und ausgerüstet machten wir uns auf den Weg. Es war ein gutes Stück im Wald, als ich auf den genialen Einfall kam mit meinem Pilgerast und den Wegsteinen Golf spielen zu wollen. Wie ein Profi stellte ich einen kleinen Kiesel auf einen größeren, zielte auf den steilen Abhang des Weges und rief noch: "Guck mal Roland!", während ich mit dem Stock zum Schlag ausholte. Der Stock traf den Stein -den größer, nicht den kleinen- und auf einmal Stand ich nur noch mit einem Holzgriff in der Hand vor dem Steilhang. Der Rest meines geliebten Wanderstocks hörte ich ein paar Sekunden in den Abgrund purzeln. Immer noch den Astfetzen haltend schaute ich zu Roland und wir beide fingen lauthals zu lachen an. 

Belustigt von der Situation, aber ohne einen Wanderstock, ging ich ein paar Meter, bis ich Roland fragte, wie ich den einen richtigen Stock, der eines großen, weisen und bescheidenen Pilgers wie mir auch würdig ist. "Guck mal auf dem Weg nach Haselnussen, das ist guten Holz für einen Pilgerinstab.", riet er mir mit schweizer-französischem Akzent. Keine drei Schritte weiter sah gleich drei Haselnüsse auf dem Boden und ein Stück weiter einen  Ast, wie ich ihn mir nicht besser hätte vorstellen können. Frische braune Borke, eine kleine Kurve am oberen Ende und die perfekte Breite. Wir machten uns gleich ans Werk mit meinem Taschenmesser (auch ein Schweizer) meinen neuen besten Freund aus dem Baum zu befreien. Zuletzt kam noch ein Bisschen Griff reingeschnitzt und fertig war er, mein waschechter, eigener Pilgerstab. Endlich war meine Pilgerausrüstung vollständig und ich fühlte mich seit dem wie ein echter Pilger.

 

So fand ich zu meinem steten Wegbegleiter, der mir den Weg durch Berg und Tal deutlich erleichterte und meine Knie merklich entlastete. Es gab Male, an denen ich ein paar Kilometer zurück lief, nur um ihn zu holen. Dafür bot er mir sogar Obdach vor einem Gewitter, doch davon erzähle ich besser ein anderes Mal.

 

Joël Marchesan

 

Über den Autor:

Mein Motto:
Ein Schiff im Hafen ist sicher, aber dafür werden Schiffe nicht gebaut.
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