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Joël Marchesan

"Vas a aprender Español de puta madre!", mit diesen Worten lobte Jesùs meine Fortschritte beim Spanischlernen - "de puta madre" bedeutete bei uns so viel wie ähm... "super geil". Die wörtliche Übersetzung lasse ich hier aus Jugendschutzgründen weg. 

Bereits in Frankreich hatte ich mit Roland angefangen Spanisch zu lernen. Er lief vor mir und ich hielt mich an seiner Schulter fest, um nicht irgendwo gegen zulaufen während ich mit meinem Spanischbuch versuchte ein paar Wörter und Phrasen zu lernen; es war jedoch immer noch das selbe Buch von 1965, das die Aufgabe eines Telegramms wichtiger empfand, als die Suche nach einem Bankautomaten. So lernte ich hoch motiviert quasi nur "Hola", "Buenos diàs" und wie man die Preise der ortsansässigen Kutscher erfährt. 

 

Mein Wunsch war es eine kurze Konversation mit diesen netten Seelen zu führen, die mich in der Herberge willkommen hießen oder mir freundlich sagten, dass morgen wieder die Sonne scheinen soll -einfach eine kleine Freundlichkeit erwidern. Außerdem wusste ich seit dem Jazzfestival, dass ich außer Erinnerungen nichts mitnehmen konnte. Eine neue Sprache hat ungefähr das gleiche Gewicht und das bisschen Spanisch wäre zusammen mit den Erinnerungen das beste Souvenir, welches ich mitnehmen konnte.

 

Wirklich angefangen hatte ich erst mit der Pilgerfamilie. Mit nur 3 von 16 Menschen konnte ich mich halbwegs unterhalten, was mich natürlich noch mehr motivierte in mein Buch zuschauen.

An einem Tag saß ich mit meinem Buch in der Herberge und lernte gerade wie man jemanden fragt, ob man vielleicht zusammen  den neuen Charlie Chaplin Film im lokalen Lichtspielhaus sehen möchte, als plötzlich von Hinten eine aufgedrehte Stimme ertönte: "Que haces?", es war Piluca, die aufgedrehte Frohnatur. Ich war komplett überrumpelt und verstand kein Wort. Mit etwas Gebärdensprache und ein bisschen Hilfe von Jesùs, der ein paar Wörter auf Deutsch konnte, verstand ich endlich: "Was machst du", meinte sie. 

Ein paar Gebärden später und ich hatte ihr erklärt, dass ich am Spanischlernen bin. Höchst erfreut über meine Versuche ihre Sprache zu verstehen setzte sie sich prompt zu mir an den Tisch, riss mir das Buch aus der Hand und fing an vorzulesen und auf meine Wiederholung zu warten: "Buenos diàs!", "Buenas tardes!", "Donde esta mì equipaje?!" 

 

So begann ihre Rolle als meine Lehrerin - ich nannte sie liebevoller Weise "Señorita professora". In den kommenden Tage liefen wir zusammen und sie zeigt ständig auf etwas und sagte mir das spanische Wort dazu - worauf und was genau sie meinte war oft eine Sache der Interpretation. Aber ich lernte auf diese Weise inerhalb zwei Wochen Kaffee zu bestellen, Angaben zu meiner Reise zu geben, nach dem Weg zufragen und sonstige Alltagshilfen. 

Natürlich fragte ich noch andere um Rat und Hilfe. Vor allem Kamil und Jesùs waren enorm hilfsbereit und ermöglichten mir mein Tagebuch in ein Wörterbuch zu verwandeln. Kamil schon wie der Lehrer, der er sein möchte, zeichnete mir sogar ein Gesicht und Strichmännchen mit Benennung der Bestandteile in mein Buch.

Dieser ganze Lernprozess war wie eine eigene kleine Reise. Jedes Wort war wie ein kleiner Schritt, jeder Eintrag im Wörterbuch eine neue Etappe und jede Konversation ein neuer Meilenstein. Das erste Mal merkte ich, dass meine Bemühungen zu fruchten schienen, als ich in einem Cafè ein Missverständnis auflöste. 

 

Ich saß draußen meinen täglichen Kaffee trinkend mit einem Belgier, der ohne Geld und nur mit Gitarre und Zelt reiste. Er erzählte mir wie schön er die deutsche Sprache fand und bat mich für ihn ein kleines Volkslied anzustimmen - er spielte mir dafür auch einen Chansòn vor. Mitten in meiner Vorstellung von "Nehmt Abschied Brüder" - viele Volkslieder passen leider nicht in meinen Kopf - merkte ich wie drinnen die Dänin, die ich am Vortag kennengelernt hatte, schon seit Minuten frustriert auf den Barista einredet. Eine passende Gelegenheit mich meiner Gesangsvorstellung zu entziehen. An der Theke angekommen bemerkte ich sofort das Problem. Sie sprach mit perfektem britischen Englisch, war der allzu nützlichen Gebärdensprache aber nicht mächtig, und er verstand selbstverständlich kein Wort. 

Nachdem sie mir ihr Anliegen erklärte teilte ich dem Barista im gebrochen Spanisch mit, dass sie für ihren Tisch bezahlen möchte und noch ein Croissant erwerben wollte. Er verstand und die Sache war geregelt. Stolz wie Bolle kehrte ich zum Belgier zurück und wir widmeten uns wieder unserem Gespräch über Sprache. Die musikalische Darbietung ist inzwischen unter den Tisch gefallen.

 

Solche Geschichten machen für mich die Bedeutung des Lernens aus. Grammatik und Vokabeln sind wichtig, aber die Anwendung ist der best Lehrer und hält mich motiviert auch mal eine Konjugationstabelle auswendig zulernen.

- Joël Marchesan

 

 

Über den Autor:

Mein Motto:
Ein Schiff im Hafen ist sicher, aber dafür werden Schiffe nicht gebaut.
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