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Joël Marchesan

Ohne Piluca könnte ich heute keinen einzigen Satz auf Spanisch sprechen. Ihre Lehrmethoden waren etwas ungewohnt, aber sie hielt mich stets am Lernen. Beim laufen fing sie aus dem Nichts an mit mir eine Standardunterhaltung zu führen ("Hallo, wie ist dein Name? Wo kommst du her? etc.) oder noch verwirrender war es, wenn sie plötzlich auf etwas zeigte, mir aufdringlich in die Augen blickte und den Namen dieses Etwas ein paar mal mit erneutem, energischem Zeigen wiederholte. 

"Mir in die Augen blickend mit dem Finger auf der Nase: 'Nariz!,Nariz!,Nariz!' Bis verstand, was sie wollte und es ihr gleich tat."

Diese Art des Lernens war definitiv nicht, was ich aus der Schule gewohnt war, aber es wirkte wunder. Piluca wollte in Logroño eigentlich den Jakobsweg verlassen und ihren Resturlaub zuhause verbringen. Sie entschied sich jedoch die restlichen fünf Tage noch mit mir nach Leon zu laufen, weil wir uns beim laufen und lernen immer köstlich über meine Reaktionen amüsierten. 

Außerdem war Piluca diese Art von Mensch die es immer wieder schaffte das dämlichste aus mir heraus zu locken. So stellte ich mich an einem Tag mit meinem Pilgerstab in meinen Achseln eingeklemmt, dass es wie eine Querstange aus sah, die meine Arme horizontal hielt, auf ein Weizenfeld und tat so als sei ich eine Vogelscheuche; eine "espantápajaros". 

Sie nannte mich deshalb meistens "tonto", was so viel wie "bescheuert" bedeutet, und ich nannte sie zuerst "Señora professora", was ihr nicht gut gefiel, weil sie sich zu alt mit dem Begriff fühlte. Aus Spaß meinte ich neckisch: "Bien, señorita professora." 

"Tonto!" und ein Lächeln war die einzige Antwort. "Señorita professora" wurde ihr neuer Spitzname.

In den fünf Tagen, die wir nach Leon gab es viel zu lachen, aber auch auszuhalten. Piluca hatte einen schnellen Schritt drauf, der mir anfangs das Gefühl gab wie ein Hund an der Leine nach geschleift zu werden. Es dauerte jedoch nicht lange mich an das neue Tempo zu gewöhnen und die Geschwindigkeit machte Spaß. 

An einem Tag schafften wir es sogar zusammen 40 Kilometer zu laufen. Den Vorabend hatten wir mit Pawel, Alex und einem Israeliten Gitarre spielend und rauchend verbracht. Trotzdem mussten wir, um rechtzeitig anzukommen diese 40 Kilometer laufen. Wir machten gute Pausen, aßen viel auf dem Weg; mein Appetit war immer noch endlos. Am Ende brachte mich Piluca die letzten paar Kilometer durch indem sie mich immer wieder daran erinnerte lustig und fröhlich zu sein; langes Wandern bei Hitze kann einem, wenn man nicht aufpasst, jegliche Emotion entziehen, der Lauf wird mechanisch und das Gehirn wird zu Brei. Das einzige, was dann hilft ist so kitschig, wie es klingt: Lachen, witzeln und singen. Eine weitere Lektion, die mich so wohl auf dem übrigen Weg als auch daheim, vor Verzweiflung bewahrte.

Piluca lehrte brachte mir ähnlich wie mein Pilgermentor Roland nicht nur eine Sprache bei, sondern schenkte mir zusätzlich eine Mahnung trotz allem zu lächeln, mich trauen "tonto" zu sein und eine Freundschaft, die mich immer wieder nach Spanien treiben wird.

 

-Joël Marchesan

 

Über den Autor:

Mein Motto:
Ein Schiff im Hafen ist sicher, aber dafür werden Schiffe nicht gebaut.
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