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Joël Marchesan

Die Zufälle auf dem Weg ließen mich fast an das Schicksal glauben. 

In Burgos angekommen, trafen Piluca und ich auf niemand anderen als Roland! Spanischmentorin trift auf Pilgermentor.

Wir beschlossen uns am Abend zum Essen zu treffen und alles zu bereden, was in der Zwischenzeit passiert ist. Roland hatte keinen Spaß an der hohen Bevölkerungsdichte des Camino Francès und lief jeden Tag über 30 Kilometer, um so schnell wie möglich wieder nach Hause zu fahren. Überfüllte Schlafsäle und wenig Ruhe waren nichts für sein 69jähriges Gemüt. 

 Es machte ihn jedoch glücklich, dass ich mit meinem Spanisch soweit voran gekommen war und gleich neue Kontakte geknüpft hatte. Mit Piluca konnte er sich auch ein wenig unterhalten. Er konnte ein paar Fetzen Italienisch und ich konnte das ein oder andere auf Spanisch übersetzen. Der Abend neigte sich dem Ende zu. Ich verabschiedete mich zum letzten Mal auf meiner Reise von Roland; wir werden uns jedoch auf einer anderen Reise wieder sehen.

Der nächste Morgen war ebenfalls von einer unverhofften Wiederbegegnung geprägt. Dieses Mal waren es Kamil und Izabela, die uns über den Weg liefen, als wir gerade unser Abschiedsfrühstück essen wollten. (Piluca musste an diesem Tag abreisen.) Es stellte sich heraus, dass für sie auch die Heimreise ansteht und wir entschieden uns alle ein letztes Mal zusammen zu essen. Wir redeten viel, ließen unsere gemeinsamen Erlebnisse noch einmal Revue passieren und versprachen uns das nächste Jahr uns wieder auf dem Jakobsweg zu sehen; ein Versprechen, das tatsächlich eingehalten wurde. 

Mittlerweile war es 10 Uhr, was zum Wandern deutlich spät ist. Um wenigstens über 20 Kilometer noch zu schaffen, verabschiedete ich mich von dem letzten Rest meiner Pilgerfamilie und schritt wieder in ein neues Kapitel. 

Weil ich so spät los lief, traf ich kaum Pilger auf meinem Weg. Ich fühlte mich einsam ohne bekannte Gesichter um mich herum. Die Sonne brannte mir bereits auf dem Kopf, aber Gesang und der Gedanke an meine geliebten Maccaroni in Tomatensoße gaben mir genug Energie nicht ins Trübsal zu fallen. Gerade noch mit genug Zeit einkaufen zu gehen, meine Wäsche zu waschen und zu kochen, kam ich in Hornillos del Camino an. Sofort machte ich mich daran die Maccaroni zubereiten. Das Essen war für mich stets die wichtigste Mahlzeit am Tag und so vertilgte ich fast eine ganze Tüte allein. 

Während meiner Esstirade unterhielt ich mich mit einem deutschen Weltenpilger. Dieser Mensch war auf jedem Jakobsweg mehrmals und gab mir nützlich Wegtipps für die kommende Reise. Außerdem erzählte er mir von der Zeit vor den Menschenströmen und den sicheren Wegen; man musste früher im Sommer einen Pfad aus losen, wackeligen Steinen über einen Fluss überwinden (selbstverständlich landete die Hälfte aller Pilger im Wasser)

 

So wie wir redeten trat die Besitzerin des lokalen Pubs, Emma, in den Essraum. Sie erzählte uns, dass an dem Abend ein Pilger und guter Musiker Livemusik in ihrem Pub spielt und wir herzlich eingeladen sind zu kommen. Nach dem Jazzkonzert in Frankreich hätte ich mir keine Gelegenheit Livemusik zu hören entgehen lassen. Im Pub war ich pünktlich und als erster anwesend. Auf der Bühne spielte ein Ire Namens Charlie seine ersten Lieder (meistens Covers von bekannten Song in seinem eigenen rauchig-torfigem Stil). Die Bar fing mittlerweile an sich zu füllen. Es herrschte eine Entspannte Atmosphäre. Es wurde viel um mich herum geredet, doch mein Ohr galt nur der Musik.

In der Pause kam ich auf Charlie zu. Eigentlich wollte ich ihm lediglich mitteilen, wie gut ich seinen Stil fand und dass ich jede Möglichkeit Musik live zu hören sehr zu schätzen weiß. Die Konversation kam jedoch auch auf das Gitarrespielen, wobei ich erwähnte, dass ich ebenfalls gerne spiele, es jedoch bedaure kaum eine Gitarre in die Finger zu bekommen. Charlie kam auf eine Idee. Nach zwei Song sollte ich auf die Bühne kommen und etwas spielen. Mein Herz fing sofort an zu rasen. "Was solle ich spielen? Ich bin doch gar nicht gut! Oh Gott, ich werde mich blamieren!", die Gedanken rasten dahin. Dennoch hatte ich in meinem Leichtsinn zugestimmt und ging tatsächlich nach den zwei Song mit zittrigen Beinen auf die Bühne. Meine Finger zupften das bekannte Arpeggio von John Lennons "Imagine". Bald setzte meine Stimme ein. Ich war erstaunt wie nicht schlecht sich alles durch die Lautsprecher anhörte. Der Refrain kam und alle sangen mit. Es war ein magischer Augenblick.

Im Laufe des Abends spielte ich noch zwei weitere Lieder und hatte diese Male bereits mehr Sicherheit und Vertrauen auf meine Fähigkeiten. Das musizieren wurde nun zu einem Teil von mir. Endlich konnte ich vor Fremden singen und spielen. Ein Kette löste sich in meinem Herzen, die mich ständig mit Schüchternheit zwang vor anderen keinen Ton ordentlich singen zu können. 

Die Zeit des Singens und Musizierens fing an. Jeden Tag sang ich beim Laufen meine Lieder und gab es einmal eine Gitarre spielte ich zur Freude meiner Umgebung ein paar Minuten.

Dieses Erlebnis schenkte mir den Mut zur Musik und ich werde diesen kleinen Pub in der Mitte vom Nirgendwo nie vergessen.

 

-Joël Marchesan

 

Über den Autor:

Mein Motto:
Ein Schiff im Hafen ist sicher, aber dafür werden Schiffe nicht gebaut.
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