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Joël Marchesan

Zwölf Kilometer für nichts und wieder nichts. Ein halber Tagesmarsch ohne einen Millimeter näher am Ziel zu sein.

In dieser Situation befand ich mich, als ich nach einer kurzen Pinkelpause den Anschluss an Roland verlor und dem falschen Weg zwei Stunden in die falsche Richtung folgte.

Es nieselte bis zum frühen Nachmittag, der Himmel war aschgrau und meine Laune noch farbloser. Nur nach Hause wollte ich -aber wie?- "40 Kilometer werde ich laufen müssen ohne Wegbegleitung.", das war die zweite Wolkenschicht über meinem Kopf. Die erste trieb mir immer noch den feinen Wasserstaub ins Gesicht. 

 

Fünf Kilometer später; ich befand mich bereits auf dem Weg zu der Stelle, wo ich falsch abgebogen war; lief mir ein fröhlicher alter Herr entgegen. Er war schmal, relativ groß gewachsen und hatte dieses menschenfreundliche Lächeln auf dem Gesicht, das einen, sei es auch nur kurz, allen Ärger vergessen lässt. "Tomorrow le sun will shine again.", er zeigte auf den Himmel und lächelte herzlich. Etwas verdutzt, jedoch gestärkt durch die Worte des Fremden, führte ich meinen Weg fort- mehr Englisch konnte er leider nicht und mein Französisch ist... naja. 

 

Endlich an der Gabelung angekommen, an der ich vom Pfad abgekommen bin, sah ich auch gleich meinen Fehler. "To Lourdes", und dadrunter ein rotes Kreuz für den Weg nach Santiago. In meiner Eile musste ich dieses Schild komplett übersehen haben!

Der Humor dieser Situation entging mir nicht und ein Gefühl der Selbstbelachung machte sich breit. "Wie dumm, ich bin der größte Pilger der Welt. Ich besitze das Geschenk eines vortrefflichen Orientierungssinnes. Genauso wie Christopher Columbus. Hat sich ja auch nur leicht verfahren.", es kam mir alles, der ganze Ärger und der Umweg, urkomisch vor. 

"Am ersten Tag bin ich 50 Kilometer gelaufen ohne Training, bin zwei Stunden später los und Roland wird schon auf mich in Oloron warten.", nach dieser optimistischen Analyse meiner Situation lief es sich wie mit Federn im Rucksack. 

 

Der Himmel klärte sich zwischenzeitlich, schöne Wälder lagen auf dem Weg und ich machte mit den Hühnern des Baskenlandes eine kleine Rast. Alles lief im wahrsten Sinne gut. 

 

Gegen 19 Uhr kam ich auch schließlich in Oloron an. Roland traf ich sofort vor der Herberge. Er machte sich riesige Sorgen und hatte selbst einen anstrengenden Tag. Als er mich nach einer halben Stunde nicht mehr sah, dachte er, ich muss vor gelaufen sein. So zog er immer und immer mehr das Tempo an. Eine Stunde, zwei, immer schneller lief er, bis es nicht mehr ging. In Oloron angekommen bemerkte er, dass ich noch gar nicht da war und auch ein Weilchen auf mich warten lassen würde.

 

Erleichtert und viel zu müde etwas zu kochen gingen wir essen - das erste Mal seit einer Woche keine Maccaroni. Wir lachten noch über meine Dummheit und versprachen etwas mehr auf den anderen aufzupassen. Denn am Ende des Tages waren wir beide Idioten.

 

Zwölf Kilometer und eine große Lektion über die Komik der eigenen Fehler und Probleme reicher ging für mich auch dieser Tag zu Ende.

 

(Dieses Foto existiert nur Dank dieses Umweges)

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Mein Motto:
Ein Schiff im Hafen ist sicher, aber dafür werden Schiffe nicht gebaut.
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