Das soziale Spannungsfeld
Dialog unter hochsensiblen, hochbegabten Erwachsenen (gekürzt)
Coach Katrin Wilcke:
„Willkommen, schön dass ihr da seid. Heute wollen wir uns anschauen, wie ihr soziale Spannungsfelder erlebt – also die Situationen, in denen ihr euch zwischen Rückzug und Nähe hin- und hergerissen fühlt. Zum Einstieg eine kleine Runde: Könnt ihr in einem Satz sagen, wann ihr euch besonders ‚anders‘ im Kontakt mit anderen spürt?“
Kerstin K.:
„Bei Familienfeiern – wenn alle durcheinander reden, fühle ich mich oft wie auf einem anderen Planeten.“
Ovidiu C.:
„Bei der Arbeit, wenn ich zu viel zwischen den Zeilen wahrnehme und mich frage, ob das nur mir so geht.“
Alina M.:
„Wenn ich mit Freunden unterwegs bin und die Lautstärke irgendwann einfach körperlich weh tut.“
Natalia D.:
„In Gesprächen, wenn ich merke, dass mich Themen tief bewegen, während andere darüber hinweggehen.“
Christoph B.:
„Wenn ich schnell Zusammenhänge erkenne und merke, dass ich den anderen ‚zu schnell‘ bin.“
Coach Clarissa Marchesan:
„Danke – man spürt schon, wie unterschiedlich, aber auch wie ähnlich die Erfahrungen sind. Ich lade euch jetzt zu einer Übung ein.“
🧩 Übung 1: Rollenwechsel
Coach Clarissa Marchesan:
„Wählt bitte eine Situation, in der ihr euch sozial überfordert oder unverstanden gefühlt habt. Wir machen eine kleine Partnerübung: Kerstin schildert die Situation, Ovidiu versetzt sich hinein und spricht - als ob er sie wäre -. Danach reflektiert Kerstin, ob das passt. Wir machen ein kurzes Beispiel mit Kerstin und Ovidiu.“
Kerstin K.:
„Okay – neulich bei der Arbeit. In der Kaffeepause haben drei Kollegen laut über Fußball diskutiert, ich habe mich fehl am Platz gefühlt.“
Ovidiu C. (in Rolle von Kerstin K.):
„Ich bin da gestanden und habe gedacht: ‚Ich sollte mitreden, aber es interessiert mich nicht. Gleichzeitig nervt mich die Lautstärke und ich fühle mich ausgeschlossen.‘“
Kerstin K. (reflektiert):
„Ja, genau – und es kam noch dazu, dass ich dachte: ‚Wenn ich jetzt gehe, wirke ich unhöflich.‘“
Katrin Wilcke:
„Sehr schön, danke euch beiden! So können wir spüren, wie viel Entlastung es gibt, wenn jemand anderes unsere Innenwelt ausspricht.“
🌱 Übung 2: Ressourcen-Anker
Coach Katrin Wilcke:
„Zum Abschluss eine andere Richtung: Denkt an eine Begegnung, die trotz eurer Sensibilität gelungen war. Notiert kurz, was ihr dazu beigetragen habt.“
(Kurze Stille – alle schreiben.)
Alina M.:
„Ich habe mich bewusst an den Rand gesetzt, so konnte ich dabei sein, ohne mitten im Getümmel zu stehen.“
Natalia D.:
„Ich habe eine Person gefunden, die auch lieber tiefgründig spricht – wir haben uns einfach zu zweit unterhalten.“
Christoph B.:
„Ich habe vorher überlegt, wie viel Zeit ich haben möchte, und bin rechtzeitig gegangen, bevor es zu viel wurde.“
Coach Clarissa Marchesan:
„Das sind wunderbare Strategien: Position wechseln, passende Gesprächspartner suchen, Zeitrahmen setzen. Ihr habt gerade gemeinsam einen Werkzeugkasten gefüllt, den ihr im Alltag nutzen könnt.“
Coach Katrin Wilcke:
„Für uns hochsensible Hochbegabte ist es wichtig, wenn wir uns der Situation, die sich z. B. durch einen anstehenden Termin ergeben kann, schon im Vorfeld entgegentreten. Setzt "euren Anker" schon möglichst im Vorhinein, um Situationen zu meistern. "Anspannung benötigt Entspannung - stöbere in deinem Werkzeugkasten"! Danke für eure Offenheit. Jeder von euch trägt wertvolle Erfahrungen bei.
Nehmt die Erkenntnis mit: Ihr dürft euch so organisieren, dass Begegnungen euch nähren und nicht erschöpfen.“