Dekanin Katrin Wilcke und Prodekan Clarissa Marchesan laden in der III. Fakultät "Hochsensibilität" ein zum
zoom-Meeting
16.10.2024 um 18:00 Uhr
Zweite Pubertät
Zoom-Call Symposium 14.-24.04.25, ein Dialog-Ausschnitt aus den Gesprächen mit den Teilnehmern, Clarissa und Katrin. (Die Namen der Teilnehmer wurden geändert)
Lina (32) ist eine von drei weiteren Teilnehmern (im Alter von 38/ 42/ 54) unseres Zoom-Calls. Wir haben uns alle kurz vorgestellt. Die Coaches, Clarissa, Mitte 50 und Katrin Anfang 50, sind spezialisiert auf Hochbegabung und Hochsensibilität im Jugend- und Erwachsenenalter.
Lina:
Ich fühle mich, als würde ich mich zum zweiten Mal häuten. Früher dachte ich, mit dreißig sei man „fertig“. Aber gerade fühlt es sich an, als würde mein ganzes Inneres umgebaut. Und ich bin so müde vom Denken.
Katrin:
Was Du beschreibst, ist sehr typisch – gerade bei Menschen mit hoher Sensitivität und hoher kognitiver Komplexität. Diese sogenannte „zweite Pubertät“ ist häufig ein Wendepunkt. Man beginnt, die übernommenen Konzepte vom Leben zu hinterfragen.
Lina:
Ich habe plötzlich so viele Fragen. Wer bin ich wirklich – jenseits dessen, was ich leisten oder „richtig“ machen soll? Ich dachte, ich hätte mich längst gefunden.
Clarissa:
Es ist weniger ein „Zurückfallen“ als ein Vertiefen. Du steigst eine Ebene tiefer in dir selbst hinab. Viele hochbegabte Menschen erleben diesen Prozess besonders intensiv, weil sie gleichzeitig reflektieren, fühlen, analysieren – oft parallel.
Lina:
Es ist wie ein mental-emotionales Dauerfeuer. Ich spüre so viel, nehme so viel wahr – auch in Beziehungen, in der Arbeit, gesellschaftlich. Aber es erschöpft mich auch. Ich funktioniere, aber innerlich ist alles in Bewegung.
Katrin:
Darf ich fragen – wie gehst Du mit dieser inneren Bewegung um? Gibt es Momente, in denen Du dich nicht nur analysierst, sondern hälst?
Lina: (nachdenklich)
Ehrlich gesagt... selten. Ich springe zwischen innerem Druck, Erkenntnissen, Idealismus und Überforderung. Ich weiß, wie man reflektiert. Aber ich weiß nicht, wie man einfach ist.
Katrin:
Das ist ein wichtiger Punkt. Ein Coaching in dieser Phase kann helfen, nicht noch mehr zu analysieren – sondern zu verlangsamen, zu integrieren, Selbst-Mitgefühl zu entwickeln. Die zweite Pubertät will nicht nur verstanden, sondern begleitet werden.
Lina:
Ich merke gerade, wie gut das tut. Nicht als „komplex“ oder „zu viel“ behandelt zu werden, sondern als jemand, der einfach nur... sehr fein gestimmt ist. Und darin lernen darf, sich zu regulieren.
Clarissa:
Genau. Es geht nicht darum, weniger zu fühlen oder zu denken. Sondern darum, diese Fähigkeiten in Verbindung zu bringen – mit sich selbst, mit anderen, mit etwas, das größer ist als die nächste Erkenntnis.
Lina: (leise)
Vielleicht will ich weniger verstehen – und mehr vertrauen.
Katrin:
Das klingt nach einem sehr heilsamen Weg. Und wir begleiten Dich gern ein Stück dabei!
Gerne gaben wir unseren Teilnehmern folgendes Hifsmittel mit an die Hand:
Modell: Das 3-Ebenen-Bewusstseinsmodell
Dieses Modell hilft, die innere Erfahrung zu ordnen – und nicht in der Analyse zu bleiben, sondern auch emotional und körperlich anzukommen.
Ebene 1: Kognition (Gedanken, Analysen, Konzepte)
Ebene 2: Emotion (Gefühle, Stimmungen, emotionale Muster)
Ebene 3: Körper (Sinnesempfinden, Spannung, Atem, Haltung)
Ziel: Alle drei Ebenen bewusst wahrzunehmen – ohne sie zu bewerten oder sofort „lösen“ zu wollen.
Übung: Die 3-Minuten-Selbstverbindung
Dauer: 3–5 Minuten
Ort: Ruhiger Ort, keine Ablenkung.
Haltung: Offen, neugierig, freundlich zu sich selbst.
Schritt 1: Gedanken benennen (Ebene 1)
„Was denke ich gerade?“
Nicht analysieren, nur beobachten. Beispiel: „Ich muss das noch verstehen.“ / „Ich frage mich, ob ich genug bin.“
Schritt 2: Gefühle anerkennen (Ebene 2)
„Was fühle ich gerade – wirklich?“
Benenne deine Emotionen ehrlich: „Traurigkeit, leichte Angst, auch Neugier.“ – Ohne Urteil.
Schritt 3: Körper wahrnehmen (Ebene 3)
„Was spüre ich körperlich?“
Ist da Anspannung im Nacken? Enge im Brustkorb? Wärme in den Händen? Lass den Atem ruhig fließen.
Optional: Innere Geste der Selbstannahme
Eine Hand auf Herz oder Bauch legen und innerlich sagen:
„Es ist okay, dass ich so viel fühle. Ich muss nichts reparieren.“
Diese kleine Übung kann helfen, die oft überaktive kognitive Ebene zu beruhigen und mehr Verbindung zum Selbst zu entwickeln – ein zentraler Prozess in dieser Reifephase