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Clarissa Marchesan

Das Thema liegt mir schon eine ganze Weile am Herzen. Der Auslöser war eine Mutter, hochsensibel, deren Sohn sich weigert in die Schule zu gehen. Erst fing er an mit Kopfschmerzen, Bauchschmerzen. Dann wurde es immer deutlicher, dass es keine ernsthafte organische Beschwerden waren,denn die Mutter ging natürlich zu vielen Ärzten, um der Sache auf den Grund zu gehen. Denn sie befürchtete Schlimmstes. Sie wurde von den Ärzten beruhigt und sie rieten ihr einen Psychologen auf zu suchen und gaben ihr einige Adressen von Kinderpsychologen mit.

Als sie mir berichtete, dass sie im Wartezimmer stand mit den Visitenkarten der tollen Kinderpsychologen, war sie einerseits sehr froh, dass ihrem Sohn nichts fehlte. Aber das Gefühl, mein Kind sei nicht normal, er hätte etwas Psychisches, hat sie sehr erschüttert.

*Er war schon immer anders, * erzählte sie mir. Schon als Baby war er anders. Ich musste ihn viel tragen. Auf dem Boden oder ins Bettchen ablegen, weil ich zum Beispiel kochen musste, war unmöglich. Er fing dann sofort an zu weinen. Er wollte immer dabei sein. Ich hatte schon Stress mit meiner Familie. Mein Mann und meine Mutter schimpften immer mit mir. "Du verwöhnst dein Kind zu sehr. Er muss auch mal weinen. Das tut den Lungen gut."

Ich empfand dann einen Konflikt, meinte sie.. Einerseits wollte ich meinem Sohn gerecht werden, denn ich hatte immer schon das Gefühl, dass er mehr braucht, als die Zeitschriften und Bücher berichten. Andererseits wollte ich ja auch den Frieden in meiner Familie aufrecht erhalten, denn es gab da schon arge Probleme und Streitigkeiten. So auch bei der Einschulung unseres Sohnes.

Ich bin sehr nahe am Wasser gebaut, berichtete mir die Mutter. Am Schlimmsten war es, als er dann in die Schule musste. Ich habe so viel weinen müssen. Ich wusste nicht warum das so schlimm war für mich. Meine restliche Familie fand das sehr peinlich...( Ende des Auszuges ..)

 

Mir fiel die Einschulung meines jüngeren Sohnes Joel ein und der Kindergartengangs  meines Sohnes Julian. Ich war das „Anders sein" meiner Söhne schon gewohnt und konnte ihnen ihre Wisßegier und Neugier stillen. Es war nicht immer einfach, meine Kinder vor dem Umfeld zu schützen. Es wurde viel an mir herum kritisiert. Ich würde zuviel mit meinen Kindern machen und ich sei ja wohl eine Übermutter. Es wurde immer geguckt, was denn so Besonderes an meinen Kindern sei. Es war sehr anstrengend für mich,dieser Kritik und dem mir auf den Fingern schaun, stand zuhalten und für meine Kinder da zu sein. Ich wollte meinem Umfeld gefallen und eigentlich nicht auffallen.

Nun stand Joels Einschulung vor der Tür. Wir bastelten gemeinsam eine Schultüte und kauften uns schöne Kleidung für diesen besonderen Tag. Mir war aber sehr unwohl zumute,wenn ich daran dachte,dass er in die „Krallen“ der Schule kommen sollte. Aber ich passte mich an, denn das ist ja wichtig, dass die Kinder in die Schule kommen.

Es kam der Tag der Einschulung. Mir schien, als ob Joel sich offensichtlich sehr freute, in die Schule zu kommen. Denn er sprach ununterbrochen davon, wie toll er es findet in die Schule zu kommen. Denn da sieht er jeden Tag Julian, seinen großen Bruder und er lernt richtig Mathe und lesen konnte. Joel konnte schon sehr gut rechnen und lesen.

Aber er wollte es ja "richtig" lernen.

Das Treffen, die Feier und die Bekanntgabe der Aufteilung für die Kinder in die einzelnen Klassen fand in der Aula statt. Es war eine schöne Aufführung. Joel wich mir nicht von der Seite. Nach seinen ängstlichen Blicken zu urteilen, fühlte er sich offensichtlich  nicht wohl.

Es wurden die Namen aufgerufen. " Joel Marchesan,!"Joel sah mich an. Es zebrach mir das Herz. Ich musste schlucken, denn jetzt war der Moment, wo ich ihn in die "Fänge" der Schule geben musste.

Er ging nach vorne. nahm den selbstgebastelten Teddybären, eines  Kindes aus der 2. Klasse entgegen, und setze sich zu den anderen Kindern. Er war wie ausgewechselt. Mein fröhlicher Joel, war verschwunden.

Ich konnte nicht mehr innehalten. Mir schossen nur so die Tränen aus den Augen. Ich konnte mich kaum beruhigen. Kennt ihr das; wenn du eigentlich richtig los schluchzen möchtest, es aber unterdrückst? Es wird von Sekunde zu Sekunde schlimmer. Der Druck ist kaum zu bändigen?

So erging es mir. Ich wollte nicht weinen. Ich wollte nicht, dass die Menschen meine unendliche Traurigkeit sahen. Mir war es auch gleichzeitig sehr peinlich, denn was würden die Leute von mir denken? Ich wollte nicht weinen, denn ich wollte für Joel stark sein und ihn unterstützend sagen, dass es okay ist, das er da nach vorne geht und mit vielen anderen Kindern lernen darf. 

Das gelang mir nicht. Joel blickte immer wieder zu mir. Ich lächelte ihn, unter Tränen zu und hielt den Daumen hoch. Dann gingen alle Kinder mit ihren Lehrern in die Klassen. Ich blickte meinen Sohn nach. Sein ernster Blick und das Lachen aus seinen Augen waren mit diesen Moment verschwunden.

Als wir auf dem Schulhof warteten, fragte mich meine Familie, warum ich denn in Tränen ausgebrochen sei. "Es ist doch was Schönes, wenn Kinder in die Schule kommen..." Da kann Joel jetzt endlich richtig lesen, schreiben und rechnen lernen. den Anfang kann er ja schon..."

Wieder einmal fühlte ich mich schlecht, weil ich so reagierte, wie ich reagierte. Nicht so, wie die Leute es erwarten. Wieder einmal war es, als ob ich falsch bin.

Das Gespräch der Lehrerin mit den Kinder war vorbei. Die Kinder kamen alle wieder auf dem Schulhof. Als Joel mich sah, kam er auf mich zugerannt und ich nahm ihn in meinen Armen.Er sagte nichts. Ich sagte nichts..Als sich unsere Umarmung lockerte, sah ich ihn an und sagte: "Ich habe dich so lieb. "

Er guckte mir in die Augen. Seine Fröhlichkeit spiegelte sich in seinen Augen wieder, er nickte und rannte zu seinen großen Bruder. Die Beiden lachten und gingen gemeinsam über den Schulhof.

Ich sah ihnen hinterher, schloss meine Augen  atmete tief ein und aus. Ich wusste, dass jetzt eine weitere Herausforderung auf mich zu kam, nun auch Joel so gut wie möglich, so heil wie möglich, durch diese Zeit zu bringen. Ich vernahm die Stimme einer Frau, die zu jemanden sagte: " So, das hätten wir auch geschafft. Jetzt ist er endlich in der Schule und lernt ordentlich!" Ich öffnete meine Augen. Sah dieser Frau hinterher und dachte nur, " ordentlich...?."

In der ersten Zeit brachte ich Joel in die Schule. Er nahm meine Hand und wir gingen durch den Park. Er erzählte ununterbrochen, was er erlebt hatte, was er gerne wieder mal mit mir und Julian machen möchte, ob ich denn nicht auch den Vogel im Gebüsch gesehen habe?, Das ist doch eine Amsel,stimmt`s?!. Wir hatten viel Spaß auf dem Weg zur Schule. Es waren viele fröhlliche Momente.

Als ich ihn in seiner Klasse gebracht  habe, war er mit dem ersten Schritt in dem Klassenraum den er getan hatte, ein ganz anderer Joel. Es schmerzte mich, mit ansehen zu müssen, wie sich mein Kind verstellte. Es war nicht mehr der fröhliche, immer sprudelnd erzählende Joel. Er wurde ruhig, ging auf seinem Platz und wartete still auf das was jetzt nun kommt.

Ich drehte mich um und musste schnellstmöglich aus der Schule raus. Erst im Park konnte ich mir erlauben zu weinen. Es zeriß mich. Das Gefühl meinen Sohn in die Schule geben zu müssen und das Gefühl, das es falsch ist.

 

Wird fortgesetzt

 

 

 

Über die Autorin:

Coach für hochsensible Hochbegabte der Akademie Tutorium Berlin
Mein Motto:
Die Bühne des Lebens selber gestalten!
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